Ihr Recht – Unser Auftrag!
Mandanteninfo

Unklare Verkehrslage: Überholen ist verboten, sobald es nicht mehr als gefahrlos eingestuft werden kann

Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn ein Fahrzeugführer unter Inanspruchnahme zweier vorhandener Richtungsfahrstreifen zwischen links- und rechtsabbiegenden Fahrzeugen hindurch geradeaus in eine Kreuzung einfährt und dort mit einem Pkw kollidiert, dessen Fahrer nach links abzubiegen gedenkt.

Ein Geschäftsführer fuhr innerorts mit seinem Firmenfahrzeug auf eine Kreuzung zu, um diese geradeaus zu passieren. Vor ihm wollte ein Fahrzeug nach links auf einer für ebendiese Fahrtrichtung bestimmten Spur abbiegen. Ein weiteres Auto vor ihm plante, nach rechts abzubiegen, und befuhr dafür die rechte Spur, die Rechtsabbiegern und Geradeausfahrern zugedacht war. Statt den Rechtsabbieger gewähren zu lassen, um danach in gerader Fahrtrichtung passieren zu können, fuhr der Geschäftsführer unter Mitbenutzung der Linksabbiegerspur auf die Kreuzung. Prompt kam es zur Kollision mit einem Fahrzeug, das sich auf der Linksabbiegerspur der Gegenfahrbahn befand.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat eine (Mit-)Haftung des entgegenkommenden Pkw verneint und die alleinige Haftung dem Geradeausfahrer zugesprochen. Nach Ansicht des Gerichts hat der Geschäftsführer gleich zwei grobe Verkehrsverstöße begangen: Zum einen hat er im Kreuzungsbereich überholt, obwohl die Verkehrslage dieses Verhalten nicht zuließ. Dabei hatte er als Geradeausfahrer die durch den dort Abbiegenden blockierte Linksabbiegerspur genutzt statt die ihm für seine Fahrtrichtung zugedachte - nur um den vor ihm fahrenden Rechtsabbieger zu überholen, mit dem er sich eine Spur zu teilen hatte. Dies allein stellt angesichts der örtlichen Verhältnisse am Unfallort ein unzulässiges und grob verkehrswidriges Verhalten dar. Zum anderen war der Geschäftsführer zusätzlich mit unangepasster Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren. Die vernommenen Zeugen haben angegeben, dass der Mann mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h bzw. höher als 50 km/h fuhr. Ein Verkehrsverstoß des entgegenkommenden Fahrzeugführers steht nach Überzeugung des Gerichts dagegen nicht fest, da er sich noch auf seiner Linksabbiegerspur und nicht auf der Gegenfahrspur befand.

Hinweis: Unklar ist eine Verkehrslage dann, wenn unter anderem den Umständen entsprechend nicht mit einem gefahrlosen Überholvorgang gerechnet werden darf. Die Straßenverkehrsordnung verbietet in einem solchen Fall das Überholen.


Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 17.12.2015 - 7 U 53/15
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2016)

Zurück zur Übersicht